Diese Ausstellung war eine Reflexion über meinen ersten langen Winteraufenthalt im Lietzenburg-Atelier.
In dem kleinen Ort Kloster auf der Insel Hiddensee stand ein Zisterzienser-Kloster — 1193 erbaut, 235 Jahre in Betrieb, in den 500 Jahren danach oberirdisch restlos verschwunden.
Dieser Fakt faszinierte mich. Ich fragte mich, wenn es keine direkt sichtbaren Spuren mehr gibt, was lässt uns heute das Damals noch erleben? Meer, Sand, Steine, Wind, das Licht, die Sonnenuntergänge… Worin sind die Geschichten der Klosterzeit eingeschrieben, wenn das Kloster selber nicht mehr existiert?
In tausend Jahren wird es vielleicht auch die Insel nicht mehr geben. In den letzten 150 Jahren wurde viel über Hiddensee geschrieben, geforscht, dokumentiert. Diese Informationen sind auf vergänglichen Medien abgespeichert. Aber was bleibt für "immer"?
Mit Zeitungsbögen deckte ich den Boden ab. Diese mit Linien bemalten Blätter entstehen als Übungen bevor ich mit dem Kalligrafieren beginne. Die Linien streichen die Texte durch. Auf dem Boden liegend verlor der Inhalt der Texte nochmals an Bedeutung, aber er existierte noch. So wie die unendlich vielen Geschichten die im Erdreich eingebettet und nicht mehr sichtbar sind. Wir bewegen uns permanent auf Geschichten.
Über die Bögen verteilte ich im vorderen Raum mehrere Kilo Bausand. Weiß und leicht deckte er alles zu. Er wurde durch die Spuren der Schuhabdrücke der Besucher zum neuen, sehr flüchtigen Informationsträger. Die Zeitungsbögen lagen still darunter. Was durch das Betreten des Sandbodens an Verformung und auch Zerstörung geschah, ist Teil der permanenten großen Verwandlung der Dinge, Räume, Welten, die wir nicht wahrnehmen können, weil ein Menschenleben nur so kurz dauert. Aber es bleiben Spuren und Kunst kann die aufzeigen.
In meiner Installation suchte ich nach möglichen Bildern für das unsichtbar Gewordene. Ich nahm die mit Linien bemalten Zeitungsbögen, Sand, Steine, Strandgut, die auf der Insel entstandenen Zeichnungen und verband sie mit der schroffen, nackten Realität des Raumes — mit dem Gegenwärtigen und dem Vergangenen.
11 Tage baute ich auf, für 2 Tage öffnete ich den Raum, am 3. Tag löste sich alles wieder auf.
Orsolya Kalász liest aus ihrem aktuellen Gedichte-Zyklus.
Die Schwemmhölzer und die zu Figuren geformten Tücher, dick mit weißer Lackfarbe bedeckt, könnten die Geister sein aus den Geschichten über das "spurlos" verschwundene Kloster.
Am Strand fand ich durch Wasser und Wind rundgeformte kleine Backsteine und farbig leuchtenden Müll. Ich legte sie auf die mit Linien bemalten Zeitungbögen. Aus diesen Collagen formten sich neue Erzählungen.
Ich fragte mich, was ist "zeitlos"?
Schon vor 1000 Jahren ernährten sich die Menschen hier von Heringen. Und zwischen diesen und denen, die ich in Neuendorf von einem der letzten Inselfischer kaufte, gibt es keinen Unterschied.
Zeitlos sind auch Sonnenaufgang und Sonnenuntergang…
Zelebration. Abriss. Reinigung.
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