Vom 23. Oktober bis 11. Dezember 2023
Als ich erfuhr, dass ich ins AiR-Programm der Zauner Stiftung aufgenommen war und nach Murnau reisen werde, stellte ich mir Fragen: Wie schaffe ich es in 7 Wochen möglichst viele Frauen zu Porträtieren und wie erfahre ich gleichzeitig auch etwas über ihr Leben in Murnau und Umgebung. Und wie leben die Frauen dort zusammen - woraus entwickeln sie ihre Stärken, wie werden sie zu Freundinnen, Schwestern, Partnerinnen, Gefährtinnen, Kameradinnen, Genossinnen, Begleiterinnen, Vertrauten? Um eine Antwort zu finden, entwickelte ich eine Porträtserie mit Graphit, Tusche, Aquarell und Linolschnitt.
An Murnau interessierte mich auch, dass die berühmte Malerin des Expressionismus, Gabriele Münter (1877-1962), bis zu ihrem Tod dort lebte und arbeitete. 1906 erwarb sie ein Haus, in dem sich Künstler:innen des deutschen Expressionismus trafen um zu arbeiten — Marianne von Werefkin, Wassily Kandinsky, Franz Marc u. n. w.. In diesem Haus entstand der Almanach »Der Blaue Reiter«, 1912 herausgegeben von Kandinsky und Marc. Der umfangreiche Anteil an Inhalt und Konzept von Gabriele Münter wird im Buch nicht erwähnt, bis heute wird sie nicht als Mit-Verfasserin genannt.
… und schaffte für sie so eine Zeit für eine Begegnung; wie sie sich zuvor noch nicht begegnet waren. Dabei war ich Gesprächspartnerin, Beobachtende und arbeitende Künstlerin.
Das war die Idee: Eine Frau wählt eine andere Frau aus mit der sie sich auf eine besondere Weise verbunden fühlt. Gemeinsam sitzen sie Modell. Ich zeichne beide. Danach wird die Auserwählte zur Wählenden und eine weitere Porträtsitzung findet statt. So entsteht eine Doppelporträt-Serie, in der jede Frau zweimal porträtiert wird. Die Frauen sind im Gespräch miteinander, sie müssen nicht "still sitzen". Die Lebendigkeit zwischen Ihnen möchte ich zeichnen. Das Gespräch wird per Audio aufgenommen.
Als erstes meldet sich Vera.
Wir treffen uns und einige Tage später kommt sie mit ihrer auserwählten Porträtpartnerin, Andrea. Andrea bringt Franziska mit. Diese wählt Gudrun, Gudrun kommt mit Jutta, und Vera porträtiere ich mit Holly.
Es gibt nichts Zynisches zwischen den Frauen. Sie lachen nicht über andere, sondern über eine gemeinsam erlebte Situation. Erinnerungen und viel Vergangenheit sind im Raum. Und dann ist da auch schnell wieder Stille und Ruhe. Unsere Worte fliegen hin- und her. Drei Stunden zeichnen und Gespräche strengen an, gleichzeitig ist eine Energie um uns, die mich nicht losläßt. Eine Aufforderung: mach weiter. Ein Versprechen: Da wartet etwas auf uns! Wir werden sichtbar.
Arbeitsplatz in der Villa Reinherz